Wer von uns kennt es nicht, das Spiel „Topf schlagen“? Wir alle haben das sicher schon einmal gespielt oder zumindest beobachtet.
So, oder so ähnlich, muss es wohl auch beim Zustandekommen des „Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie Phase II (NIP) – Maßnahmen der Marktaktivierung – Schwerpunkt Nachhaltige Mobilität“ [1] abgelaufen sein.
Andi Scheuer mit verbundenen Augen und einer Wünschelrute (wahlweise auch gern einem ökologisch abbaubaren Holzkochlöffel) in der Hand und von außen haben dann wohl Fahrzeughersteller, Wirtschaftsverbände und Interessengruppen (auch gemeinhin als Lobbyierende bekannt) immer dann „heiß“ gerufen, wenn sich der nichts Sehende Andi dem richtigen „Topf“ zugewandt hat. Im für die „Rufenden“ richtigen Topf befand sich, wen würde es überraschen, viel Geld – versteckt im oben aufgeführten Nationalen Innovationsprogramm.
Nun spricht, um vom Topf schlagenden Andi wieder in die Wirklichkeit einzutauchen, grundsätzlich erst einmal nichts gegen die Förderung der Wasserstofftechnologie. Sie kann auch einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Klimaschutzziele und Dekarbonisierung über die verschiedenen Sektoren hinweg zu unterstützen. Auch die neue Bundesregierung hat sich mittels Koalitionsvertrag [2] beim Thema Wasserstoff zu großen Zielen verpflichtet. Ganze 28x kommt der Begriff Wasserstoff im Koalitionsvertrag vor. Damit, um beim Verkehrssektor zu bleiben, übrigens 28x mehr als Verkehrswende oder Mobilitätswende.
Zurück zum Wasserstoff und den Zielen der Bundesregierung, hier heißt es im Koalitionsvertrag:
„So wollen wir bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden und dafür ein ambitioniertes Update der nationalen Wasserstoffstrategie erarbeiten.“
Klingt gut. Aber es geht noch weiter.
„Wir wollen den Einsatz von Wasserstoff nicht auf bestimmte Anwendungsfelder begrenzen. Grüner Wasserstoff sollte vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen.“
Wir könnten natürlich noch das ein oder andere Zitat aus dem Koalitionsvertrag bemühen. Aber es dürfte bereits an dieser Stelle sehr deutlich geworden sein, dass die Nationale Wasserstoffstrategie einen wesentlichen und wichtigen Punkt des Koalitionsvertrages kennzeichnet. Interessanterweise findet sich allerdings im gesamten Kapitel Verkehr kein Verweis auf die Nutzung von Wasserstoff.
Warum ist das eigentlich so wichtig?
Über Wasserstoff als Antriebsart wird seit Jahren vehement gestritten.
Unstrittig dürfte sein, dass die Wasserstofftechnologie gerade im Lastverkehr, bei „Transportern“, Bahnverkehr, Schiffverkehr oder auch im Flugverkehr ihren durchaus berechtigten Einsatzzweck haben kann. Und damit auch einen Beitrag zum bereits erwähnten Klimaschutz und der erwähnten notwendigen Dekarbonisierung des Verkehrssektors leisten kann. Dafür macht es dann auch durchaus Sinn, mit dem Nationalen Innovationsprogramm, welches sich übrigens in das gemeinsamen „Regierungsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie 2016–2026 – von der Marktvorbereitung zu wettbewerbsfähigen Produkten“ [3] der Bundesministerien für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), für Wirtschaft und Energie (BMWi), für Bildung und Forschung (BMBF) und für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) einbettet, entsprechende Förderungen voranzutreiben.
Vielleicht hat, um beim eingangs bemühten Beispiel zu bleiben, auch gerade dieses (Halb)Wissen bei unserem Andi dafür gesorgt, dass er voller Begeisterung auf das aufgestellte Töpfchen getrommelt hat. Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn man Wasserstoff als Ersatz für die bisherigen fossilen Antriebstechnologie für PKW (auch als „Auto“ bekannt) ins Spiel bringen möchte. Wasserstoff ist, und darin sind sich zumindest die Experten weitgehend einig, sowohl in Produktion als auch Wirkungsgrad dem dazu alternativen Elektroantrieb weit unterlegen.
Nur 25 Prozent der ursprünglichen Energie führt in einem Brennstoffzellen/Wasserstoff-Fahrzeug zu Fortbewegung, der Rest geht verloren. Bei batteriebetriebenen Elektroautos liegt der Wert etwa bei 70 Prozent.
Doch nicht nur beim Wirkungsgrad schaut es momentan noch ziemlich düster aus. Auch bei der Infrastruktur, als der Bereitstellung notwendiger Wasserstofftankstellen, müssen teilweise horrende Investitionen getätigt werden. Aktuell gibt es in D ca. 92 Wasserstofftankstellen [4]. Dem gegenüber stehen ~15.000 klassische Tankstellen. Vergleicht man dies noch mit dem auch im Koalitionsvertrag definierten Ziel, bis 2030 1 Million öffentlich zugängliche Ladepunkte bereitzustellen, sieht das ganze noch viel desaströser aus. Dazu kommt, dass je Wasserstofftankstelle mit Kosten von ~ 1 Mio € gerechnet werden muss [5], während die Bereitstellung der öffentlichen Ladeinfrastruktur mit ~10.000 €/Einheit auskommt.
Selbst die im Energiesektor benannten Ziele der Bundesregierung können zudem nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bereitstellung von ausreichend Wasserstoff nicht ohne entsprechende Importe auskommt. Ungeachtet, ob es sich dabei um grünen oder blauen Wasserstoff handelt, die Transportfrage und die damit verbundenen Transportkosten sprechen auch nicht für eine massentaugliche Alternative gegenüber den Fahrzeugen mit rein batterieelektrischem Antrieb.
All diese Punkte sprechen eine deutliche Sprache
Dies drückt sich übrigens auch in den Zulassungszahlen aus. In D wurden im Jahr 2021 (Januar bis November) 424 Brennstoffzellen/(Wasserstoff)-Fahrzeuge zugelassen. Das diese von lediglich 2 Herstellern kommen, (Hyundai und Toyota) mag indes nicht überraschen. Demgegenüber stehen 307.525 rein batterieelektrisch betrieben Fahrzeuge (BEV) und 292,697 Plug-in-Hybride (PEHV).
Bei insgesamt 2.394.502 neu zugelassenen Fahrzeugen beträgt der Anteil von Brennstoffzellen(Wasserstoff)-Fahrzeugen damit sagenumwobene 0,017%. In der Chemie würde man angesichts derartige Quoten wohl nur von Spurenelementen sprechen.
Denn im Gegensatz zu den anderen großen Automarken, die sich fast ausschließlich auf den batterieelektrischen Antrieb konzentrieren, sind Toyota und Hyundai auch historisch dem Wasserstoffantrieb sehr zugetan. Auch wenn Hyundai kürzlich ankündigte, den Fokus weg vom Wasserstoff hin zur Elektromobilität zu richten. Selbst Toyota hat hausintern ein Zeichen gesetzt und will demnächst bis zu 15 neue Modelle mit batterieelektrischem Antrieb auf den Markt bringen.
Nun könnte man bei all den nüchternen Fakten und Daten zu dem Schluss kommen, dass eine Förderung von Brennstoffzellen(Wasserstoff)-Fahrzeugen kein wirklich sinnvoller Ansatz sein kann. Wer so denkt, dar hat leider die Rechnung ohne Andi gemacht. Denn der Nationale Aktionsplan sieht nach wie vor eine Förderung auch bei PKW vor.
So überrascht es nicht, dass nach einer Meldung der „Wirtschaftswoche“ [6] vom 27.01.2022 der Leasinganbieter Allane SE (ehemals Sixt) 800 dieser Fahrzeige (Anbieter: Hyundai) neu anschafft.
„Naja, sollen sie halt.“ könnte man hier gelassen entgegnen.
Brisant wird dies allerdings aus 2 Faktoren heraus.
Einerseits wird die Anschaffung dieser Fahrzeuge aus dem Nationalen Innovationsprogramm gefördert. Mit durchschnittlich 14.3000 € je Fahrzeug. Ja, richtig gelesen. So fließt ein Gesamtbetrag von ~11,4 Mio €. Und es ist ja nicht auszuschließen, dass nun auch andere Anbieter bzw. Vermieter auf die gleiche Idee kommen und sich aus dem Fördertopf bedienen.
Und andererseits scheint die Förderrichtlinie auch zu ermöglichen, dass sich Hyundai die Autos quasi selbst verkauft. Details dazu finden sich im verlinkten Artikel der Wirtschaftswoche. Und es mutet schon sehr merkwürdig bis verzweifelt an, wenn man diese Art der Geschäftsmodelle nutzt um sich einerseits selbst einen Vorteil zu verschaffen – und andererseits dann damit die Sinnhaftigkeit von Wasserstoff-PKW zu signalisieren.
Denn eines dürfte klar sein: Unter normalen Umständen würde sich, unter Berücksichtigung aller Fakten und den teilweise horrenden Preisen für diese Modelle, fast niemand ein solches Gefährt zulegen.
Was man mit dem Geld statt dessen tun könnte
Bevor wir mit diesem Beitrag zum Schluss kommen eine kleine Modellrechnung.
Nach diversen Erhebungen werden für die Bereitstellung eines städtischen Kilometers Radweg ~200.000 Euro benötigt. Allein für die jetzt verausgabte Fördersumme von 11,4 Mio € könnte man (natürlich rein theoretisch) 57 Kilometer Radweg bauen lassen.
Wenn man denn wöllte. Oder das Geld noch verfügbar wäre.
Fazit …
Gut, nun können wir den neuen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sicherlich kurz nach seinem Amtsantritt nicht für ein Nationales Innovationsprogramm verantwortlich machen, welches Andi offensichtlich via Topf schlagen auf den Weg gebracht hat. Allerdings können wir an den neuen Verkehrsminister einen dringenden Appell richten, den Nationalen Innovationsplan schnellstmöglich zu reformieren.
Was wir hiermit auch tun:
„Lieber Herr Wissing, sorgen Sie mit Ihren Mitarbeitenden bitte dafür, dass diese offensichtlich unnötigen (und unsinnigen) Förderungen beendet werden. Nutzen Sie das verfügbare finanzielle Volumen dann für Maßnahmen, die sowohl aus Umwelt- und Klimaschutzgründen einen wirklichen Effekt bewirken können. Gern auch einen Radweg zwischen BMDV und dem Umweltministerium, um auf sehr kurzem (und gesundem) Wege förderrechtliche Fehlsteuerungsanreize frühzeitig auszuschließen.“
Ganz zum Schluss: Wir wünschen, angesichts der Tankstelleninfrastruktur, allen Nutzenden der von Allane SE beschafften Fahrzeuge allzeit eine unfallfreie, vor allem aber auch entspannte Fahrt und immer, also wirklich immer, eine Tankstelle in der Nähe.
[1] Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie Phase II (NIP) – Maßnahmen der Marktaktivierung – Schwerpunkt Nachhaltige Mobilität https://www.foerderdatenbank.de/FDB/Content/DE/Foerderprogramm/Bund/BMVI/nip-ii-nachhaltige-mobilitaet.html ; Fortsetzung des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) 2016 – 2026 https://www.ptj.de/lw_resource/datapool/systemfiles/cbox/2862/live/lw_file/nip-massnahmen.pdf
[2] Koalitionsvertrag
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
[3] Regierungsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie 2016 – 2026 – von der Marktvorbereitung zu wettbewerbsfähigen Produkten zur Fortsetzung des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie 2006 – 2016 (NIP)
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/nip-regierungsprogramm.pdf?__blob=publicationFile
[5] Bericht RND Kosten Tankstellen
https://www.rnd.de/mobilitaet/autofahren-in-der-zukunft-hat-das-wasserstoffauto-noch-eine-chance-VIBZK7DZYNCN3ER4IVZOOFCBLI.html
[6]Bericht Wirtschaftswoche 27.01.2022
https://www.wiwo.de/unternehmen/auto/foerderung-der-wasserstoff-mobilitaet-wasserstoff-autos-dieser-hyundai-deal-wirft-fragen-auf/28011668.html
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