Kürzlich wurde ich auf eine Studie aufmerksam gemacht. [1]
Der Dank dafür geht an die AG Energie der Piratenpartei. [2]
In dieser wurde das Mobilitätsverhalten in 50 europäischen Großstädten erfragt. An dieser Studie nahmen nach Angaben der Durchführenden 10.744 Personen teil.
Da mir die Studie nicht im Detail vorliegt, lässt sich nichts zur Verteilung von Alter, bisherigen Mobilitätsverhalten, Besitz eines Fahrzeugs oder jetzt schon Nutzer des dortigen ÖPNV sagen.
Ich erspare euch jetzt auch das bloße Wiedergeben der im Artikel verlinkten Daten und Zahlen.
Sondern ich möchte stattdessen ein paar Detailergebnisse herausgreifen.
„Die Deutschen sind im Ländervergleich am wenigsten von Elektromobilität überzeugt
Zum Trendthema Elektromobilität wurden Autohalter befragt, ob sie in den nächsten drei Jahren ein elektrisches oder hybrides Fahrzeug erwerben werden. Im Ländervergleich ist Deutschland mit 24 Prozent Schlusslicht.“
Das kommt jetzt nicht wirklich überraschend. Untermauert wird dies auch durch die, im Vergleich zu anderen Ländern, hinterherhinkende Zulassungsstatistik von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb. Darüber haben wir euch vor einiger Zeit hier informiert. [3]
Dies ist allerdings nicht nur der „Angst vor zu wenig Reichweite“ geschuldet.
Erschwert wird die Akzeptanz auch durch politische Fehlsteuerungsanreize. Oder schlicht auch durch Unterlassen.
Bereits bei der Verordnung zur Ladesäuleninfrastruktur haben wir darauf hingewiesen, dass dies zwar ein Schritt in die richtige Richtung ist, allerdings noch viel zu tun bleibt. [4]
Und als ob wir es seinerzeit nicht schon geahnt hätten, ist das Befürchtete eingetreten. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur stockt und droht schon allein damit auch das Ziel der 15 Millionen Elektroautos bis 2030 zu konterkarieren. [5]
Garniert wird das alles durch eine, wie soll ich sagen, irrlichternde Förderpolitik bei den Elektrofahrzeugen. Zuerst einmal ist es ziemlicher Unsinn, Plug-in-Hybride zu fördern. Hier wurden Fördergelder verpulvert, die man an andere Stelle sinnvoller hätte einsetzen können.
Und nicht nur bei der Hybridförderung hat die Regierung völlig die Orientierung verloren, auch bei der Förderung von Fahrzeugen mit Brennstoffzelle/Wasserstoff hat sie sich verrannt. Auch darüber haben wir euch hier entsprechend informiert. [6]
Zudem wird, und das trotz ewig langer Lieferzeiten der Hersteller für rein batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge [7], die teilweise bis zu über einem Jahr betragen, die Förderung ab 2023 gekürzt. Wie das eventuell Interessierte dazu bewegen soll, doch den Umstieg von fossilen Verbrennern anzutreten, das bleibt wohl ein Geheimnis.
Natürlich ist es sinnvoll, die Förderpolitik zu prüfen und anzupassen. Allerdings kann man damit eben auch ziemlich viel Unheil anrichten, wie die derzeitige Ampelregierung immer wieder aufs Neue beweist.
Dazu passt auch, ganz aktuell, die Meldung, dass auf EU-Ebene bei Neuzulassungen nur noch CO2 – neutrale Fahrzeuge zugelassen werden dürfen. Doch auf Drängen der FDP wurde für die e-Fuels eine Hintertür eingebaut. [8] Damit werden auch nach 2035 noch Verbrenner neu zugelassen. Irrsinn pur.
All dies nehmen natürlich auch die Bürger:innen wahr. Insofern trägt die Politik der aktuellen Bundesregierung maßgeblich dazu bei, dass wir in Deutschland meilenweit zurückliegen.
Und, so bedauerlich es ist, das sagen zu müssen, auch weiter irgendwo im Niemandsland herumdümpeln.
Da bekommt der ehemalige Slogan der FDP „Technologieweltmeister“ ein extrem bitteren Nachgeschmack.
Die Aufgabe des eigenen Autos zugunsten von alternativer Mobilität ist in Deutschland nur für 13 Prozent der Befragten eine Option.
In Spanien sind Öffentliche Verkehrsmittel der beliebteste Mobilitätsservice. Am schlechtesten werden sie in Italien bewertet. Deutschland liegt im Mittelfeld. Bevor wir hierzulande Wow-Erlebnisse für Kunden schaffen, müssen die Grundbedürfnisse abgedeckt und Sicherheit und Hygiene verbessert werden. In allen Ländern sind Verlässlichkeit und Nähe zum Start- und Zielort zudem besonders bedeutsam.
Beim Blick in den Koalitionsvertrag [9] könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Stärkung des öffentlichen Personennah- und Fernverkehrs ein Herzensanliegen der Koalition ist. Na ja, zumindest ein bisschen. Diesen haben wir seinerzeit ebenfalls unter die Lupe genommen und dabei festgestellt, dass trotz einiger guter Ansätze zu kurz gesprungen wurde. [10]
Und auch in der ersten Zwischenbilanz nach 100 Tagen wurde das düstere Bild nicht besser. Auch dazu haben wir klar Stellung bezogen. [11].
Und als ob das alles nicht bereits desaströs genug wäre, hat die Regierung die Chance umzusteuern nicht genutzt. Oder will es einfach nicht. Weil Autofahrerland … oder so ähnlich.
Was genau meine ich damit:
Sowohl der unsägliche Krieg Russlands gegen die Ukraine als auch die extreme Verteuerung fossiler Brennstoffe haben eine Preisspirale in Gang gesetzt, die, neben Energie- und Heizkosten, die Kosten für die individuelle Mobilität immer weiter nach oben getrieben hat.
Dies manifestierte sich durch immer neue Rekordmarken an den Zapfsäulen. [12]
Insofern war es durchaus sinnvoll, mit dem sogenannten „Entlastungspaket“ [13] für die Bürger:innen wenigstens die gröbsten Auswirkungen auffangen zu wollen.
Und nein, auf den vielfach diskutierten „Tankrabatt“ möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen.
Sondern den Blick auf das „9-Euro-Ticket“ lenken.
Denn diese, befristete Maßnahme, hat es immerhin auf 21 Millionen verkaufte Tickets gebracht.
Natürlich ist auch beim „9-Euro-Ticket“ nicht alles Gold, was glänzt. Dazu haben wir euch ja bereits hier ausführlich informiert. [14].
Doch anstatt als Regierung dauerhaft dafür Sorge zu tragen, dass diese im Grunde erfreuliche Inanspruchnahme, und die damit erhofften Effekte, dauerhaft wirkt, haben sowohl Christian Linder und auch Olaf Scholz mal eben kurzerhand den Stecker gezogen. [15]
Und damit auch niemand Zweifel hat, wo wirklich die Prioritäten der aktuellen Bundesregierung liegen, hat es diese tatsächlich geschafft, im Haushaltsentwurf für 2023 wieder (!) mehr Geld für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen zu planen, als für den Ausbau des Schienennetzes. [16]
Fazit:
Um auf den Ausgangspunkt, die Studie, zurückzukommen.
Die Ergebnisse können gar keine anderen sein. Deutschland, irgendwo im Niemandsland.
Natürlich müssen wir uns selbst die Frage stellen, was wir bereit sind an Bequemlichkeit und tradiertem (etwas Überliefertes weiterführen) Mobilitätsverhalten auf den Prüfstand zu stellen oder im besten Fall ändern zu wollen.
Muss jeder, wirklich jeder Weg mit dem eigenen Fahrzeug absolviert werden, oder geht es nicht auch genauso bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit dem Rad oder auch zu Fuß.
Diese individuelle Verantwortung kann uns niemand abnehmen.
Aber:
Eingedenk der politischen Entscheidungen in diesem Land ist es allerdings auch nicht verwunderlich, wenn man sich dann bequem zurücklehnt und einfach so weiter macht wie bisher.
Die Bundesregierung steht bei der Verkehrswende und den dazu politischen Maßnahmen und Rahmenbedingungen mit beiden Füßen auf der Bremse.
Und selbst wenn irgendwo ein kleines Pflänzchen Hoffnung zu keimen droht, wird das mit der nächsten politischen Entscheidung radikal niedergetrampelt.
Liebe Bundesregierung.
So wird die angestrebte, und auch dringend notwendige, Verkehrs- und Mobilitätswende nicht nur nicht funktionieren, sondern ein komplettes Desaster.
Noch ist Zeit, zu handeln. Man muss nur wollen.
[1] https://www.industr.com/de/deutsche-halten-am-staerksten-an-ihrem-verbrenner-fest-2655763
[2] (20) AG Energiepolitik (@AEnergiepolitik) / Twitter
[4] https://flaschenpost.piratenpartei.de/2022/01/16/wenn-die-giesskanne-das-falsche-instrument-ist/
[6] https://flaschenpost.piratenpartei.de/2022/02/01/fehlsteuerungsanreiz/
[7] https://www.carwow.de/ratgeber/elektroauto/lieferzeiten-elektroautos#gref
[8] EU-Ministerrat beschließt Verbrenner-Verbot ab 2035 – mit E-Fuels-Hintertür – electrive.net
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