Der Bundesrechnungshof hat am 30.11.2021 seinen Jahresbericht 2021 veröffentlicht [1].
Bei einem der großen Hoffnungsträger für die Verkehrswende kommt der Bundesrechnungshof zu einigen weniger schönen Erkenntnissen. Gemeint ist die Deutsche Bahn AG.
Denn dort hapert es nach Ansicht der Prüfenden gewaltig.
Bevor wir uns den Themen widmen ein kleiner Funfact. Im Jahresbericht 2020 durfte sich die Bahn noch über nur 44 Erwähnungen „freuen“; diesen Wert hat man 2021 mit 170 Erwähnungen massiv ausgebaut. Top-Leistung.
Es wäre ja zu wünschen, dass der Abbau der Verbindlichkeiten oder der Ausbau des Schienennetzes ebenso engagiert vorangetrieben würde, wie die „Würdigung“ im Bundesrechnungshof-Bericht.
Doch der Bericht des Bundesrechnungshofes und auch 32 Mrd. Euro Schulden sprechen da gerade eine andere Sprache.
Was der Bundesrechnungshof konkret bemängelt
Hauptkritikpunkte sind die nach wie vor vorhandenen Interessenkonflikte der Abgeordneten und die unregelmäßige (intransparente) Gewinnausschüttung/-rückführung der DB AG, sowie der Einstieg der DB Energie in das Privatkundengeschäft.
Daneben wird, völlig zu Recht übrigens, auch der zweckentfremdete Mitteleinsatz durch das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) moniert.
Interessenkollision von Abgeordneten
„Die Abgeordneten sind in ihrer hauptamtlichen Tätigkeit hingegen den Bundesinteressen verpflichtet. Gleiches gilt für die von den Bundesministerien entsandten Aufsichtsratsmitglieder. Bei Personen in Doppelfunktionen können deshalb – je nach Fallkonstellation – Interessenkollisionen zwischen den verschiedenen Rollen auftreten.“
Der Bundesrechnungshof erwartet hier, und das wird im Bericht auch sehr deutlich formuliert, dass das BMVI geeignete Maßnahmen ergreift, um diese Interessenkollisionen zukünftig auszuschließen. Zudem kommt der Bundesrechnungshof zu dem Schluss, dass das BMVI bisher „ungeeignete Maßstäbe“ angelegt hat und daher zu „falschen Schlussfolgerungen“ gelangt. Dazu fehle es dem BMVI an der notwendigen Sensibilität, was wiederum zur „fortlaufenden Missachtung der von ihm (Anm: BMVI) zu beachtenden Grundsätze“ führt.
Dies ist dann auch eine schallende Ohrfeige für den scheidenden Verkehrsminister Andreas Scheuer.
Unregelmäßige (intransparente) Gewinnausschüttung
Die Prüfenden haben festgestellt, dass es nur eine unregelmäßige Gewinnabführung an den Bund gibt, da die Dividenden in den letzten Jahren regelmäßig unter den Gewinnen gelegen habe. Dies ist, auch aus unserer Sicht, insbesondere dahingehend kritisch zu betrachten, da dies eigentlich vertraglich geregelt ist und diese Gewinne eigentlich in den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert werden sollen.
Insofern fordert der Bundesrechnungshof den Bund zurecht auf, die bisher entgangenen Gewinne nachzufordern.
Bahnunternehmen als Energieversorger
Die Bahntochter DB Energie soll sich eigentlich um die Energiebeschaffung für die Bahnbranche bemühen. Insofern war der Einstieg in das Privatkundengeschäft ohnehin schon etwas merkwürdig.
Der Bundesrechnungshof kommt nun zu dem Schluss, dass dieser Einstieg nicht nur ohne Genehmigung des Aufsichtsrates erfolgte, sondern auch die Prüfung des Bundesinteresses fehle und das BMVI die Geschäftsordnung nicht beachtete.
Vernichtend auch die Erkenntnis, dass die wirtschaftlichen Erwartungen deutlich verfehlt wurden. So werden laut Bundesrechnungshof nur 20 % der damals zugrunde gelegten Werte vor dem Markteintritt erreicht.
Salopp formuliert:
Der Versuch der Bahn, im Privatkundengeschäft mitzumischen, ist kläglich gescheitert. Das wirtschaftliche Risiko, also die vorauszusehenden Verluste, trägt der Bund. Und damit auch die Steuerzahlenden.
124 Mio. Euro – Mittel aus Schiene dann doch lieber in die Straße und Flughäfen
Ein besonders dreistes Stück lieferten Andi Scheuer und sein Ministerium, in dem sie Mittel für Gleisanschlüsse „umwidmeten“ und dafür lieber für Bundesfernstraßen und Flughafengesellschaften verwendeten.
In Summe wurden 124 Mio. Euro dafür ausgegeben, was wiederum einem Anteil von ca. 60 % der eigentlich für die Schiene vorgesehenen Mittel zum Ausbau der Gleisanschlüsse betrifft.
Dies mag, so die Erkenntnis des Bundesrechnungshofes, haushaltsrechtlich zulässig sein. Es entspricht aber in keiner Form den verkehrs- und klimaschutzpolitischen Zielen des Bundes.
Was sonst noch auffällig war
Als weitere Punkte moniert der Bundesrechnungshof, dass „Rückforderungsansprüchen“ nicht konsequent nachgegangen wird, ein „Gegensteuern bei Fehlentwicklungen beim Ausbau von Rangierbahnhöfen“ komplett unterbleibt und die „Akustische Wirksamkeit neuer Lärmschutzwände“ nicht geprüft wird.
Auch im Bereich der „Allgemeinen Finanzverwaltung“ kommt der Bundesrechnungshof zu dem Schluss, dass die „Förderung der Energieeffizienz des elektrischen Eisenbahnverkehrs“ lediglich zu „Mitnahmeeffekten“ geführt hat.
Die angestrebte CO₂-Einsparung kann unter Berücksichtigung der Mitnahmeeffekte, als auch der potenziell geringen Wirkung bei ohnehin bereits elektrifizierten Fahrzeugen, nicht erreicht werden.
Anders formuliert: Diese Förderung ist schlicht Unsinn.
Der Bundesrechnungshof formuliert es natürlich etwas neutraler und fordert daher, diese Fördersystematik zu beenden.
Fazit:
Die vom Bundesrechnungshof aufgeführten Missstände im Bereich der Bahn und insbesondere des BMVI (noch unter dem geschäftsführenden Minister Andreas Scheuer) verdeutlichen das ohnehin schon ramponierte Gesamtbild.
Wie die Bahn ihrer angedachten tragenden Rolle im Rahmen des angestrebten Umbaus des Verkehrssektors zu einem klimafreundlichen Bereich nachkommen will, bleibt fragwürdig.
Doch auch das BMVI wird seiner Rolle in keiner Form gerecht. Dies allein auf dem ausgehenden Minister Andreas Scheuer abzuladen wäre zu kurzsichtig, obwohl ihm ein gebührender Anteil an den aufgezeigten Missständen zugerechnet werden muss. Ob der designierte Verkehrsminister der FDP hier etwas zu ändern vermag, darf aufgrund der strukturellen und finanziellen Probleme der Bahn und des Ministeriums ebenso bezweifelt werden.
Es wird vielmehr deutlich, dass der „Umbau der Bahn“ offensichtlich nicht durch ein Ministerium allein geschultert werden kann. Wenn zudem auch noch die Geschäftsleitung und der Aufsichtsrat der Bahn offensichtlich versagen, die Politik ihre Hausaufgaben nicht macht, ergibt dies genau dieses sehr unschöne Gesamtbild.
Insofern schlägt die AG Verkehr und Mobilität eine übergreifende Expertenkommission vor, die sich aus Vertretern von Politik, Vertretern der Bahn, Gewerkschaften und weiteren Interessenverbänden zusammensetzt. Diese soll die notwendigen Maßnahmen erarbeiten und auch deren spätere Umsetzung verbindlich überwachen.
Damit würde man einerseits eine große Akzeptanz zu den notwendigen Maßnahmen herstellen können und zudem Fehlentwicklungen, wie vom Bundesrechnungshof in den Jahresberichten regelmäßig dokumentiert, frühzeitig erkennen und auch vermeiden.
Es gibt 32 Milliarden gute Gründe, den Umbau der Bahn auf eine breite, transparente, finanziell und ökologisch nachhaltige und zielführende Basis zu stellen.
Quellen:
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