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Gastbeitrag von Maurice Conrad, Themenbeauftragter für Umwelt, Klima und Tierschutz

E-Mobilität nicht zu Ende gedacht

Nahezu jedes E-Auto wird in Zukunft mit bis zu 6.000 € prämiert. Wer aber über ein Pedelec, E-Bike oder Rennrad zum Pendeln nachdenkt, ist auf sich allein gestellt. Warum ist das ein Problem?

Ein entscheidender Faktor der Mobilitätswende ist die Förderung der E-Mobilität. Darin sind sich alle einig. Und auch wenn im Internet alle möglichen Informationen rund um die „wahre Ökobilanz“ von E-Autos kursieren, der elektrische Antrieb von Fahrzeugen ist, wenn richtig eingesetzt und mit Ökostrom betrieben, eine nachhaltige Form der Mobilität. Vorausgesetzt, also richtig eingesetzt und im Sinne eines nachhaltigen Mobilitätskonzepts. E-Autos zu fördern ist also ebenso richtig, wie Solar- und Windenergie zu bezuschussen. Eigentlich.

E-Autos kein Allheilmittel

Auch wenn die ökologische Bilanz von E-Autos deutlich besser als ihr Ruf ist, sind E-Autos nicht das Wundermittel. Selbstverständlich lösen wir die Klimakrise nicht, indem wir mit Benzinern und Diesel vollgestopfte Innenstädte mit E-Autos vollstopfen. Dazu noch ein paar E-Scooter und das Verkehrschaos ist perfekt. Nein, eine Mobilitätswende bedeutet auch: Deutlich weniger motorisierter Individualverkehr, deutlich mehr ÖPNV und viel viel mehr Rad- und Fußverkehr. Das ist die Erkentnis, die man erlangt, wenn man sich die Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors genau ansieht und nach einer ernst gemeinten Lösung sucht.

Warum weniger Autos?

In den 60er Jahren haben wir mit der „autogerechten Stadt“ Städte geschaffen, die förmlich schreien: „Fahr mit dem Auto!“. Das mag vor 60 Jahren eine ganz famose Idee gewesen sein, ist aber mit dem Wissen über die globale Erderwärmung ein ernstzunehmendes Problem geworden. Das Kernproblem dieses Verkehrskonzepts liegt auf der Hand: Wir bewegen regelmäßig 2 Tonnen Masse um ca. 78 kg Gewicht zu transportieren. Dazu kommt ein erheblicher Verbrauch an Fläche. In Zeiten von Landflucht, steigender Bevölkerung und nicht zuletzt einer lebensbedrohlichen Klimakrise muss man kein Verkehrsexperte sein um zu erkennen, dass dieses Modell langfristig zum Scheitern verurteilt ist. Schon heute wird immer kleinerer Verkehrsraum unter immer mehr Menschen aufgeteilt. Man kann durchaus versuchen, das ewig weiter zu erhalten, irgendwann kollabiert ein solches System aber, bzw. ist bereits dabei, zu kollabieren. Und so lange wir den Anspruch erheben zum Transport von 78 kg Mensch 2 Tonnen Masse zu bewegen, sagt uns bereits die Physik, dass ein solches Unterfangen niemals echt nachhaltig sein kann. Man kann es so nachhaltig wie möglich gestalten und sich größte Mühe bei der Reduzierung von Ressourcen und Emissionen geben. Am Ende des Tages ist diese Form der Mobilität aber allein aus energetischer Sicht niemals wirklich nachhaltig. Die Antwort muss also darin liegen, Radverkehr, ÖPNV in einem ungekannten Ausmaß zu fördern und auszubauen. Die Piratenpartei fordert schon lange den komplett ticktetlosen Nahverkehr, den Ausbau von Rad- und Fußinfrastruktur sowie autofreie Innenstädte.

Pedelecs unterschätzt

Elektro-Mobilität besteht aber nicht nur aus Autos. Ein völlig unterschätztes Element der elektrogetriebenen Fortbewegung sind Pedelecs, S-Pedelecs und E-Bikes.
Wer morgen ein neues Elektroauto kaufen möchte, bekommt bis zu 6.000 € Prämie vom Staat. Das ist schön und gut. Warum aber sind Menschen, die sich für Pedelecs und E-Bikes interessieren, finanziell auf sich allein gestellt? Ein ordentliches Pedelec ist nicht nur um ein Vielfaches nachhaltiger als jedes E-Auto, es ist ebenso eine ernstzunehmende Antwort für Pendler\*innen.
Es mag am Automobilland Deutschland liegen, dass wir zum einen ein völlig falsches Verstädnis des Fahrrads haben und zum anderen, in bestimmten industriellen Interessen begründet, auch kein besonders großes Interesse an der Förderung von Fahrrädern haben. Dennoch liegt im Bereich der Pedelcs und E-Bikes ein vollkommen unterschätztes Potential: Mit einem ordentlichen Pedelec lassen sich weite Strecken schweißfrei und gemütlich fahren. Das Pedelec ist nicht nur günstig, es ist in vielen Fällen sogar deutlich schneller und vor allem flexibler als jedes Auto. Und wer es noch schneller will, bekommt mit einem S-Pedelec ein Fahrrad, welches ohne große Probleme 45 km/h fährt.

Ich selbst bin Student und habe mir als Lösung für meine inner- und außerstädtische Mobilität Mitte Oktober ein Pedelec im Wert von 2.800 € zugelegt. Mit diesem Fahrzeug fahre ich zur Uni, nehme meine Termine als Kommunalpolitiker wahr und fahre auch 20-30 km nach Ingelheim oder Wiesbaden. Und ich bin weder sportbegeistert noch sonderlich masochistisch veranlagt. Im Gegenteil: Mein Studium fordert mich mit Akrobatik, Modern Dance und Fechten sportlich so sehr, dass ein normales Fahrrad für mich nicht in Frage kam. Ich hatte das Konzept „Pedelec“ als Mobilitätslösung überhaupt nicht auf dem Schirm bis ich über einen Freund erstmals überhaupt die Anwesenheit dieser Lösung mitbekommen habe. „E-Bike“ – das war für mich vorher so ein dickes, schweres Fahrrad für meine Großeltern. Dass ich von den Vorzügen dieser Lösung nichts wusste, ist schade und ein politisches Versagen. Es existiert nahezu keine politische Kampagne, die eine Investition in Fahrräder und Pedelecs bewirbt. 2.800 € Anschaffungspreis waren für mich als Stundent eine ganze Menge Geld. Sicherlich war diese Investition eine der klügsten meines Lebens, keine Frage. Dennoch hätte ich mir Unterstützung gewünscht.

Ja, ein Fahrrad ist ein Fahrzeug

In Deutschland scheint aber in Bezug auf Radverkehr ein falsches Verständnis vorzuherrschen: **“Jede\*r hat doch so ein Rad im Keller!“** Das Fahrrad wird nicht wirklich als Fahrzeug wahrgenommen, sondern eher als ein Accessoire oder ein Hobby. Aber ein Pedelec im Wert von knapp 3.000 € ist kein Spielzeug, sondern ein vollständiges Fahrzeug. Es dient einem klaren Zweck, hat Verschleiß und will angeschafft und gewartet werden.

Politische Offensive gefragt

Es ist höchste Zeit, eine politische Offensive zu starten, die dem enormen Potential von Fahrrädern, gleich ob motorisiert oder nicht, gerecht wird. Wer als Pendler\*in ein Rennrad, Pedelec oder S-Pedelec kauft, trifft nicht nur eine verdammt gute Entscheidung – er investiert in eine der nachhaltigsten Formen der Mobilität überhaupt. Er sollte mindestens im selben Maße wie ein Autokäufer in dieser nachhaltigen Investition bestärkt und gestützt werden. Bis dato fehlt es aber nicht nur an Prämien und Kaufunterstützung, überhaupt müsste eine Kampagne her, die diese Form der Mobilität stärker bewirbt und ihr zu der Größe verhilft, die sie verdient. Der Fokus auf E-Autos mag der Automobilindustrie ein großer Dienst sein – nachhaltig ist es aber nicht.

„Pedelecs, E-Bikes und Rennräder sind kein Spielzeug ein paar sportverrückter Ökofreaks, sondern eine ernstzunehmende Antwort auf eine der drängendsten Fragen unserer Zeit.“
Maurice Conrad, ( zu dem Zeitpunkt) Bundesthemenbeauftragter für Umwelt, Klima und Tierschutz.

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